Timo Schönewolf ist studierter Ingenieur für Biotechnologie und Engineering Unit Manager für den Bereich Manufacturing Operations beim Beratungs- und Dienstleistungs-Unternehmen Capgemini, welches seinen Schwerpunkt bei Informationstechnik und Spitzentechnologie hat. Er leitet ein Team von knapp 110 Personen Consultants und Fachexperten, die für Capgemini bei verschiedenen Kunden im Einsatz sind.
Was ist Capgeminis Verbindung zu uns?
Timo: zentroom ist ein Ankerpunkt für unsere Mitarbeitenden abseits unserer eigenen Büros. Wir haben hier ein sehr flexibles Set-up und stellen so unseren Mitarbeitenden mit zentroom einen Ort zur Verfügung, an dem sie arbeiten können, wann immer es für sie nützlich ist. Wir geben ihnen ausserdem die Möglichkeit, von zu Hause oder beim Kunden zu arbeiten; je nach persönlicher Präferenz, Situation und Projekt.
Als wir hier vor anderthalb Jahren angefangen haben, organisierten wir immer einmal die Woche einen After Work Event, um die Leute zusammenzubringen. Das ist mittlerweile bereits zur Tradition geworden. Selbst wenn keine After Works stattfinden, kommen die meisten donnerstags vorbei, um sich miteinander auszutauschen.
Teamgeist steht bei euch im Leitfaden zur Unternehmenskultur. Hat es damit zu tun?
Unbedingt. Dadurch, dass unsere Consultants grösstenteils bei den Kunden im Einsatz sind, ist es immer eine Herausforderung, Teamzugehörigkeit bzw. ein Teamgefühl zu fördern.
zentroom ist dabei sehr hilfreich, weil wir hier dafür sorgen können, dass sich alle auf natürlichem Wege kennenlernen, unterstützen und austauschen.
Wie würdest du eure Unternehmenskultur beschreiben?
Sie ist ständig im Wandel, basiert letzten Endes aber auf den sieben Kernwerten des Unternehmens. Die meisten Werte findet man in vielen grossen Unternehmen, die weltweit agieren. Was uns aber ausmacht, denke ich, ist, dass der Spassfaktor eben auch Teil der Unternehmenskultur sein soll. Dementsprechend sind wir dafür zuständig, dies tagtäglich vorzuleben, also eine Atmosphäre zu schaffen, in der die gesamte Unternehmenskultur gelebt wird und dass es eben nicht nur irgendwo auf dem Papier steht.
Wie macht ihr – oder du – das?
Einerseits sind es Aktivitäten und Events wie hier im zentroom, die Nähe schaffen, regelmässigen Austausch ermöglichen und es uns erlaubt, unsere Kultur vorzuleben.
Anderseits haben wir verschiedene digitale Möglichkeiten. Dabei sind alle Mitarbeitenden dazu angehalten, sich einzubringen und natürlich auch selbst mitzugestalten. Als Teamleiter bin aber ich verpflichtet, als Vorbild voranzuschreiten und andere zu animieren.
Was heisst das?
Das heisst, auf der einen Seite für meine Mitarbeitenden verfügbar zu sein, wenn sie Unterstützung benötigen. Auf der anderen Seite den strukturellen Aufbau so zu ermöglichen, dass eben die Unternehmenskultur auch in der täglichen Arbeit Realität sein kann. Dies soll den Mitarbeitenden den Austausch mit den Kollegen und Kolleginnen ermöglichen, so dass sie frei und offen miteinander sprechen können. Ausserdem sollte man als Firma nicht zu hierarchisch und zu administrativ aufgebaut sein, sondern immer möglichst nahe am Mitarbeitenden sein.
Dabei ist es wichtig, zuzuhören, denn so können wir nicht nur persönliche, aber auch technische Dinge aufnehmen, unsere Mitarbeitenden aktiv involvieren und so die Dinge hinterfragen und verbessern. Da sind wir als Teamleiter sehr wichtig, da wir den direkten Draht zur Konzernleitung haben, aber eben auch zu den Mitarbeitenden.
Was hat das für einen Einfluss auf deinen Arbeitsalltag?
Für mich ist wichtig, dass meine Mitarbeitenden wissen, dass sie immer zu mir kommen können, egal welche Probleme oder Fragen sie haben. Sie arbeiten nicht für mich als ihren Boss, sondern umgekehrt; ich habe einen Job, weil es meine Mitarbeitenden gibt. Entsprechend ist es an mir, mich täglich auf die Mitarbeitenden zu fokussieren und zu schauen, wie wir die Strukturen schaffen können, um eine optimale Arbeitsumgebung zu bieten, aber auch, dass die übergeordneten Wachstumsziele erreicht werden können.
Du möchtest nicht als Vorgesetzter wahrgenommen werden. Wir im zentroom haben keine Hierarchie, wie sieht es bei euch allgemein im Unternehmen aus?
Wir haben eine Hierarchie und eine gewisse Struktur, wie Kommunikation fliesst. In der Schweiz haben wir vier Ebenen; eine CEO Ebene, die Direktor Ebene, meine Ebene als Teamleiter und dann die Consultants. Wir versuchen die Hierarchie so flach wie möglich zu halten. Dies ist eine Herausforderung, gerade wenn man grosse Teams leitet und sowohl effizient und klar kommunizieren und als auch agieren muss. Technologie hilf dabei, die Mitarbeitenden abzuholen und wahrzunehmen, ohne unbedingt physischen Kontakt haben zu müssen. Aber ich gebe zu, dass ein solches remote Setup eine Herausforderung ist. Umso mehr schätze ich die Möglichkeit hier im zentroom.
Ihr seid in jüngerer Vergangenheit stark gewachsen. Ist dies eine Gefahr für die Unternehmenskultur oder eher eine Hilfe?
Es ist definitiv eine grosse Hilfe. Insbesondere wenn es eine Kultur gibt, die Gegebenheiten hinterfragt und versucht die Mitarbeitenden mit einzubeziehen.
Über eine von allen getragene Kultur der Offenheit, Dinge anzupacken und Menschen zu integrieren, wächst ein Unternehmen zusammen und hilft bei Umstrukturierungen und Neuerungen.
Rekrutiert ihr dann eher Menschen, bei denen ihr denkt, dass sie die Kultur tragen, aber vielleicht technisch weniger Know-how haben als mögliche Konkurrentinnen und Konkurrenten?
Niemand muss zu 100 Prozent mit der Unternehmenskultur einverstanden sein, um gut ins Unternehmen zu passen. Das Unternehmen ist auch viel zu gross dafür, dass es nur eine Kultur gibt. Es gibt viele Subkulturen in verschiedenen Ländern, Bereichen aber auch in Teams. Ich denke, wenn die Person die richtige Persönlichkeit und eine Offenheit mit sich bringt, sind die technischen Fähigkeiten sicher einfacher als eine Unternehmenskultur zu vermitteln.
Prägt denn eine Kultur mehr den Menschen oder der Mensch eine Kultur?
- Der regelmässige Austausch stärkt die Unternehmenskultur.
Es ist eine Wechselwirkung. Als Person ist man zwar die Summe seiner Erfahrung, aber man gestaltet auch immer sein Umfeld mit. Wenn ich mich in einer offenen Umgebung befinde, die mich fördert und fordert, bringe ich mich auch mehr ein und präge so die Umgebung positiv. Dies kann aber auch einen negativen Einfluss auf beide Seiten haben. Und da ist es eben gerade sehr wichtig, Werte und Prozesse vorzuleben, die uns wichtig sind, wir verbreiten und in den Vordergrund stellen wollen. Gerade in unserem Unternehmen ist es bedeutend, dabei den menschlichen Faktor hervorzuheben. Weil letzten Endes besteht der Kern unseres Unternehmens aus den Mitarbeitenden; wir produzieren nichts, haben keine Soft- oder Hardware oder sonstige Besitztümer. Was uns ausmacht, sind unsere Mitarbeitenden. Auf ihnen muss unser permanenter Fokus liegen, als Menschen und nicht als Zahlen.
Erhofft ihr euch durch diese Kultur einen Wettbewerbsvorteil?
Definitiv. Es ist ein wichtiger Punkt für uns, dass sich unsere Mitarbeitenden bei uns wohl fühlen und wir für Fachkräfte attraktiv sind.
Wie messt ihr denn die Zufriedenheit der Mitarbeitenden?
Wir haben dazu technische, anonymisierte und barrierefreie Tools. So bekommen wir ein Bild von der Stimmung, aber auch Feedback zu Prozessen und Gegebenheiten, wie zum Beispiel den Büroräumlichkeiten.
Das ergibt ein Gruppenbild. Aber wie ist es für einzelne Mitarbeitende?
Wir haben regelmässige Checkpoints, wo wir mit den einzelnen Mitarbeitenden im Gespräch sind. Damit wollen wir weg von einem Performance Review – hin zu einem vorwärts gerichteten Management von Performance. Ich möchte betonen, dass dieser Austausch beidseitig stattfindet. Damit das möglich ist, brauchen wir kleine Teams, um regelmässig im Austausch mit den Menschen zu sein. Hier haben wir eine zusätzliche Ebene an People Managern beziehungsweise Squad Leads eingeführt, um dies sicherzustellen.
Die haben aber keine hierarchische Funktion, sondern kümmern sich «nur» um die Mitarbeitenden?
Genau, sie begleiten die Mitarbeitenden und schauen, wie das Projekt läuft, welche Herausforderungen die Mitarbeitenden haben und wie es ihnen dabei geht.
Bringt euch die Internationalität eurer Mitarbeitenden Vorteile oder Konflikte?
Sowohl als auch. Kulturen und Arbeitsweisen sind unterschiedlich, aber generell ist Diversität ein Vorteil, unabhängig von Nationalität, Geschlecht, Religion oder anderen Faktoren. Aus technischer Perspektive ist es sogar sehr wichtig.
Wie geht ihr denn mit Konflikten um?
Die Situation gehen wir offen und ehrlich an und versuchen herauszufinden, was die Ursache ist. Das Wichtigste dabei ist, immer lösungsorientiert zu sein und das Problem von verschiedenen Standpunkten anzusehen.
Möchtest du ein Erlebnis teilen, das dich besonders berührt hat und die Kultur widerspiegelt?
Ein Mitarbeiter war kürzlich in der Situation, wo sein noch nicht mal jähriges Kind notfallmässig ins Spital eingeliefert werden musste. Das Team und ich haben natürlich spontan alles organisiert, damit er sich so viel Zeit nehmen konnte, wie er brauchte. Wir haben seine Termine, Kunden und Aufgaben untereinander verteilt. Die Situation war sehr kritisch und das arme Kind kämpfte um sein Überleben. Das hat mich sehr betroffen gemacht und nicht losgelassen. Darum habe ich mich entschlossen, ihm und seiner Frau eine Karte zu schreiben – nicht als Vertreter der Firma, sondern ganz privat als jemand, dem das Ganze nahe geht. Im Nachhinein hat sich der Mitarbeiter für das organisatorische und technische sehr bedankt, am meisten bedeutet hat ihm aber die Karte. Das hat mir aufgezeigt, dass kleine menschliche Gesten die grösste Bedeutung haben.
In eurer Branche gibt es eine grosse Selbständigkeit, aber durchaus Stress und Druck. Wie geht ihr damit um und wie allgemein mit mentaler Gesundheit?
Das ist ein Thema, das immer wichtiger wird, gerade wenn man in einem hybriden Setup arbeitet und nicht jeden Tag in direktem Kontakt ist. Wir bieten ein Well-being Forum an, auf das alle Mitarbeitenden Zugriff haben. Dort gibt es viele Informationen und Tipps bezüglich mentaler Gesundheit. Hier gilt es auch wieder, aktiv eine gewisse Work-Life-Balance vorzuleben und so weise ich meine Mitarbeitenden regelmässig darauf hin, dass sie nie so lange arbeiten sollen, bis alle Arbeit gemacht ist. Sie sollen Prioritäten setzen und genügend Platz für Familie, Freunde, Körper, Ruhe und Freizeit lassen. Die Summe davon muss im Gleichgewicht sein. Dazu gehört auch, sich regelmässig zu hinterfragen und dieses Bewusstsein müssen wir als Vorgesetzte vermitteln, um möglichen Burnouts vorzubeugen.
Sind die Peoplemanager darauf sensibilisiert, Anzeichen zu erkennen?
Ja. Sie kriegen ein dreimonatiges Trainingsprogram dazu, welches speziell auf die remote Arbeitsweise ausgerichtet ist, wobei sie lernen, wie sie auf einzelne Mitarbeitende eingehen können. Zusätzlich gibt es verschiedene freiwillige Trainingsprogramme auf unserem Ausbildungsportal.
Und wenn es jetzt trotzdem zu einem kommt?
Dann ist das eine schwierige Situation, die individuell angeschaut werden muss. Erst muss man der Person die Zeit geben, sich zu erholen und zu schauen, wie es dazu gekommen ist. Wenn sie dann bereit ist, haben wir die Möglichkeit, die Person nach und nach wieder in die Arbeit einzuführen. Dazu haben wir einige interne Projekte, die sich dafür gut eignen, da sie in einem «geschützten» Umfeld sind. Dies ist kein einfaches Unterfangen und ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Das Wichtigste ist, der Person die Zeit zugestehen, die sie braucht und sie dabei zu begleiten, alles andere bringt nichts. Dabei sollen sie nie das Gefühl bekommen, eine Last oder ein Problem zu sein.
Was tragen wir zu eurer Unternehmenskultur bei?
Erstmal von eurer Art her, wie ihr das zentroom leitet; sehr persönlich, agil, menschlich, offen, hilfsbereit und nah. Das hinterlässt einen grossen Eindruck, gerade bei neuen Mitarbeitenden, die zum ersten Mal ins zentroom kommen. Ihr nehmt sie als Menschen wahr und so werdet auch ihr als Menschen wahrgenommen und nicht einfach als Betreuende vom Coworking Space. Hier ist alles sehr durchdacht und wir können unsere Mitarbeitenden mit ruhigem Gewissen zu euch schicken, wohlwissend, dass sie bei euch super aufgehoben sind. Das ist enorm wichtig und wir haben auch Beispiele, wo das nicht der Fall ist. Zweitens ist zentroom eben eine super Location, um unsere Events auszutragen und so das Gemeinschaftsgefühl und den Teamspirit zu stärken.
Hat unsere Community eine Bedeutung für euch?
Ja klar. Dadurch dass ihr als zentroom eure Community animiert und pflegt, hilft das uns natürlich auch unsere Mitarbeitenden zu animieren.
Es scheint, dass unsere beiden Unternehmenskulturen zusammenpassen. Was macht ihr, wenn das zum Beispiel bei einem lukrativen Kunden nicht der Fall ist, sondern die Kulturen kollidieren?
Man muss offen gegenüber Andersartigem sein und auch mal Kompromisse machen oder sich anpassen. Von seinem Kern sollte man aber nie abweichen. Wenn man auf Konfrontationskurs geht, wird eine Annäherung nicht funktionieren. Man schaut, wie machts der eine, wie machts die andere und wo gibt es Synergien und wo dürfen die Dinge anders sein. Das ist aber ein Prozess, der nicht von heute auf morgen fertig ist und langsam wächst. Das Wichtigste ist der regelmässige Austausch. Gelingt dies nicht, kommt es nicht zu einer langfristigen Zusammenarbeit.
Zum Abschluss, was ist deiner Meinung am wichtigsten, wenn man eine Unternehmenskultur aufbauen/pflegen möchte?
Der menschliche Faktor ist sicherlich enorm wichtig. Man kann Prozesse, Layouts und Strukturen aufbauen und ändern. Was aber am Schluss ausmacht, ob man sich wohlfühlt oder nicht, sind die Menschen. Wenn man das in den Vordergrund stellt, hat man die Basis, um auch in widrigen Umständen erfolgreich zu sein.