Seit fast drei Jahren sind wir mit zentroom unterwegs. In dieser Zeit ist viel passiert. Untern anderem auch in Sachen Selbstorganisation Der Space hat sich verändert, neue Coworker sind zur Community hinzu gekommen, wir durften gemeinsam feiern und es gab ganz viele Begegnungen mit wunderbarem Austausch. Genau so haben wir uns zentroom gewünscht und sind glücklich und dankbar für diesen Ort und alles, was damit zusammenhängt. Ein wesentlicher Teil dabei, wenn auch selten in den Fokus gestellt, ist unser organisationales Betriebssystem; also wie wir zusammenarbeiten.
Hierbei arbeiten wir mit der 9 Spaces Plattform von Neue Narrative. Diese Plattform bietet diverse Werkzeuge, aufgeteilt in 9 Kacheln zu den Themen Purpose, Menschen, Rollen & Regeln, Strategie, Beziehungen, Ergebnisse, Werte & Prinzipien, Ownership & Stakeholder und Geld. Wir nehmen uns regelmässig Zeit und fragen uns, bei welchen Themen Handlungsbedarf besteht und wo wir mehr Klarheit schaffen müssen. Diese Entwicklung ist eine spannende Reise, bei der wir Neues ausprobiert, geübt, gelernt und nicht nur zentroom vorangetrieben, sondern auch ganz viel an uns selbst gearbeitet haben. Anhand von drei Beispielen – Mitarbeitergespräche, OKR Strategieprozess und integrativer Entscheidungsprozess – möchte ich euch gerne Einblick in unsere Zusammenarbeit geben.
Mitarbeitergespräche
Als selbstorganisiertes Team mit geteilter Verantwortung haben wir keine klassischen Jahres-/Mitarbeitergespräche. Dennoch ist es uns wichtig, regelmässig Standortbestimmung vorzunehmen. Dafür haben wir im letzten Jahr den «Listening Walk» eingeführt. Ein Tool, mit dem wir uns die Zeit nehmen, einfach mal zuzuhören. Wir gehen zu zweit auf einen Spaziergang und nehmen eine selbst gewählte Frage mit, z.B. «Was ist mir in den letzten drei Monaten gut gelungen und mit was hatte ich Mühe?» Während fünf Minuten redet zuerst eine Person und die andere hört nur zu. Danach vergehen weitere fünf Minuten, in denen keine der beiden spricht. In den nächsten fünf Minuten spricht die andere Person, worauf wiederum fünf Minuten gemeinsames Schweigen folgt. Zum Schluss werden während zehn Minuten gemeinsam Gedanken ausgetauscht.
Die ersten Listening Walks waren etwas ungewohnt und das gemeinsame Spazieren in Schweigen hatte fast schon etwas Unangenehmes. Doch nach weiteren ein, zwei Walks fühlte sich der Spaziergang zu zweit immer vertrauter an und auch das freie Zuhören fiel leichter. Das gegenseitige Vertrauen, welches wir damit aufbauen und vertiefen ist bereichernd und schön zu gleich. Mit ein wenig Übung in Geduld und Ruhe ist es uns gelungen, die nötige Zeit dafür zu investieren und die Qualität daraus zu erkennen und zu geniessen.
OKR Strategieprozess
Die Strategie wird bei uns nicht, wie in klassischen Pyramidenorganisationen, einmal vom Management festgelegt und nur gelegentlich angepasst. Im letzten Jahr haben wir uns für den OKR Strategieprozess entschieden, ebenfalls ein Werkzeug auf der 9 Spaces Plattform. Dreimal pro Jahr nehmen wir uns einen ganzen Tag Zeit, um an unserer Strategie zu arbeiten. Im Vorfeld können alle strategische Spannungen erfassen; Ideen, Anpassungen, Veränderungen in Punkto Strategie werden gesammelt.
Wir schauen diese dann gemeinsam an und entscheiden, ob daraus ein OKR (Objectives and Key Results) zum weiterbearbeiten entsteht. Ist dies der Fall, definieren wir gemeinsam ein Ziel, einzelne Teilschritte und ganz wichtig, jemand übernimmt den Lead für dieses OKR. Dafür braucht es keine spezifischen Voraussetzungen und es bedeutet auch nicht, dass der Lead alles alleine erarbeiten muss. Im Gegenteil, wichtig ist, dass er oder sie die Verantwortung übernimmt, auch andere zur Unterstützung hinzuzieht und Freude daran hat. Auch bei diesem Werkzeug haben wir Zeit und Geduld gebraucht, vor allem mit uns selbst, um zu lernen und entsprechend zu handeln. Und das tun wir mit jedem neuen OKR von Neuem.
Integrativer Entscheidungsprozess
Wenn wir von unserer Organisation erzählen und erwähnen, dass wir Entscheide gemeinsam fällen und wir keinen CEO dafür haben, wird oft geschmunzelt. Es fallen dann Kommentare wie, dies ginge ja nur, weil wir ein kleines Team seien. Denn solange herumdiskutieren bis man sich einige, sei ineffizient. Das finden wir auch und haben deshalb den integrativen Entscheidungsprozess eingeführt. Mit diesem Prozess stellen wir sicher, dass alle gehört werden, persönliche Meinungen und Präferenzen jedoch aussen vor bleiben. Entscheidungen werden also nur im Sinne des Unternehmens gefällt.
Konkret sieht das so aus, dass jemand von uns eine Spannung – also etwas, das anders sein oder gemacht werden könnte – beschreibt und einen konkreten Vorschlag zur Veränderung formuliert. Alle anderen hören nur zu. Danach startet die erste Runde, in der wir ohne Reihenfolge klärende Fragen stellen können; d.h. nur fragen, nicht senden. Gelegentlich fallen wir dabei in alte Muster zurück und stellen eine Frage so, dass wir gleichzeitig auch bereits unsere Meinung dazu abgeben. Das braucht Übung und es gelingt uns mal besser und mal schlechter.
Wenn alle Fragen geklärt wurden, startet die Reaktionsrunde. Der Reihe nach äussern alle ihre Meinung zum Vorschlag. Dabei gibt es keine Interaktion, was ebenfalls einiges an Übung braucht, wie wir feststellen durften. Darauf folgt ein allfälliges Anpassen des Vorschlags, bevor es in die Einwandrunde geht.
Hier wird’s dann richtig spannend, denn als schwerwiegende Einwände gelten nur diejenigen, die dem Unternehmen nachhaltig schaden könnten. «Mir gefällt blau besser für die Küche», wäre daher definitiv kein schwerwiegender Einwand. Das war wohl die anstrengendste Übung, sich und seine Meinung herauszunehmen und wirklich nur Einwände zu formulieren, die berechtigt sind. Es gab Momente, da dachten wir: «uff, das lernen wir nie». Und plötzlich, nach ein paar Anwendungen, ging es immer besser und wir konnten unglaublich effizient und vor allem objektiver Entscheide fällen. Die Angst, nicht gehört zu werden oder die eigene Meinung nicht mitteilen zu können, liess nach und Entscheidungen wurden von uns allen gleichermassen getragen.
Auf unserem eigenen Weg
Dies sind nur ein paar Tools mit denen wir an uns und unserer Organisation arbeiten und nicht alles funktioniert sofort. Manchmal machen wir Schlaufen, gehen nochmals zum Ausgangspunkt und schauen, wo wir noch immer Unklarheiten haben und was wir verbessern können. Wir lernen jeden Tag dazu, üben uns im verständnisvollen Umgang miteinander und nehmen uns die Zeit, unseren eigenen Weg zu gehen. Es kommt immer wieder einmal vor, dass auch uns die Geduld ausgeht, wir das Gefühl haben, nicht voranzukommen, oder wieder bei Null anfangen zu müssen. Wie ich im November an einem zweitägigen Workshop zu Shared Leadership gelernt habe, gehören auch diese Wegstücke dazu. Denn es gibt nicht die eine Lösung, wie man als Team selbstorganisiert unterwegs ist. Es ist viel mehr ein Prozess, bei dem wir unseren eigenen und für uns passenden Weg gestalten.