zentroom

Zentrepreneur Irene im Porträt: «Ich plane die Spontanität»

Was ist die Superkraft von Irene Baumann? Diese Frage stellt sich bei Irene nicht. Oder zumindest nicht so. «Super» bedeutet soviel wie «(dar)über» und verlangt folglich nach einem Vergleich wie «schnell» zu «superschnell». Irene mag den Vergleich bzw. den Wettbewerb mit anderen Menschen nicht, hat sie nie gemocht – auch schon im Turnunterricht nicht. Sie misst sich nicht mit anderen, nur mit sich selbst. Indes, in Irenes Innenwelt kann die Messlatte ziemlich hoch gelegt sein. Sie muss die Dinge in die Tiefe durchdenken, hat hohe Ansprüche an sich selbst und will sich weiterentwickeln. Aber nicht um andere Menschen, sondern falsche Vorstellungen hinter sich zu lassen und dadurch verständnisvoller auf Mitmenschen zuzugehen. Verlieren kann sie dabei gemäss einem ihrer Lieblingszitate von Nelson Mandela nichts: «Du kannst nicht verlieren – du kannst nur gewinnen oder lernen.»

In der Ruhe liegt die Kraft

Eine Kraft, oder vielleicht doch eine «Superkraft»?, die von Irene ausgeht, ist ihre Ruhe. Ruhe bedarf der Souveränität. Und diese bedingt weitsichtige Planung und innere sowie äussere Ordnung. «Ein gutes Mise en place ist das A & O», ist Irene überzeugt. «Ordnung ist das halbe Leben». Dieser Satz könnte auch von ihr stammen. Denn die Ordnung und Planung in der einen Lebenshälfte erlaubt Spontanität und Flexibilität in der anderen – beruflich wie privat, wie Irene meint. Eine Reise plant sie beispielsweise von langer Hand. Rund um die Reise, inkl. dem ersten und letzten Tag, ist alles minutiös organisiert. Das erlaubt ihr innerhalb dieser Tage sehr spontan zu sein und sich flexibel auf die Gegebenheiten einzulassen. Den Reiseführer liest sie oft erst im Flugzeug. Diese Flexibilität bzw. Freiheit ist für Irene nicht minder wichtig als der geplante, geordnete Teil: «Ich plane die Spontanität – das gibt mir Freiheit.»

Ei oder Huhn?

Der ausgeprägte Ordnungssinn brachte Irene nach der Hotelfachschule in die 5-Sterne-Hotellerie. Oder war es umgekehrt? – wurde ihr Ordnungssinn erst in dieser Umgebung ausgeprägt? «Da muss jedes Kissen richtig liegen, die Vorhänge perfekt drapiert und die Pflanzen makellos am zugeordneten Platz stehen», erinnert sich Irene an die Anforderungen im 5-Sterne-Hotel – und auch daran, dass sie bereits im Kindesalter sehr gerne ihr Zimmer umgestellt und aufgeräumt hat – also Ei. Die Arbeit in der Hotellerie entsprach Irene nicht nur wegen der Strukturiertheit, sondern auch wegen der diversen, internationalen Mitarbeitenden und Gäste. Das warmherzige Interesse an Menschen, kombiniert mit den erworbenen 5-Stern-Kompetenzen und der Lust auf Neues, brachte die Bernerin vom Schweizerhof in Zürich zurück nach Bern: an den SBB Businesspoint, den Vorgänger des zentroom. Hier wurde ihr die operative Leitung übertragen, die sie auch behielt, als der Businesspoint nach drei Jahren an die Firma Witzig verkauft wurde. In der Folge kreuzten sich die Wege mit den anderen zentroomies, als der Businesspoint nach drei weiteren Jahren nochmals den Besitzer wechselte und sich zum heutigen zentroom weiterentwickelte.

Rollenverteilung

Der heutige Coworking Space «zentroom» wirkt schon am Empfang wie der Eingang zu einer Oase – ein Kontrapunkt zur hektischen Aussenwelt, vier Stockwerke tiefer im Hauptbahnhof Bern. Es herrscht eine warme und gleichzeitig professionelle Atmosphäre. Die Ausstattung und farbliche Abstimmung des Mobiliars zeugen von viel Liebe zum Detail. Der «Space» ist ein Gemeinschaftswerk der zentroomies, in dem offensichtlich auch viel «Irene» drinsteckt. Denn nebst ihrer Rolle als Gästebetreuerin, die alle zentroomies innehaben, ist sie mitunter verantwortlich für das Account-Management, HR bezogene Rollen und eben auch für die «5-Sterne-Dekoration». Selbstredend ist sie auch zuständig für das «Mise en place», d.h. die lang- und kurzfristige Planung der Organisationprozesse und -entwicklung. Die professionelle Organisation lässt nicht allein Irene als Person ruhig und strukturiert erscheinen, sondern auch die Arbeitsumgebung, was von den Gästen und vom Team gleichermassen geschätzt wird. Der zentroomie Thomas drückt es so aus: «Irene stellt sicher, dass alles seine Ordnung hat und sauber dokumentiert ist. Ihr Pflichtbewusstsein, prozessorientiertes Denken und leidenschaftliches Organisieren machen sie unverzichtbar für uns. Sie gibt uns und vor allem dem Unternehmen die notwendige Struktur.»

Blue Ivy, Meredith Gray und Miss Blueberry Muffin
Irene mit Blue Ivy

Übrigens, wer Eigenschaften wie «pflicht- und ordnungsbewusst» oder «prozessorientiert» mit farblos assoziiert, liegt bei Irene in mehreren Hinsichten falsch. Auf zentroomie Tanja strahlt Irene die Farbe Grün aus, «weil sie der Ruhepol vom zentroom ist», begründet Tanja ihre Empfindung und ergänzt: «Irene hat den Über- und Durchblick, ein grosses Herz und strahlt positive Vibes aus.» In der Psychologie der Farben schafft Grün eine Balance zwischen Herz und Kopf, zwischen Emotionen und Rationalität. Dass es Irene trotz ihrer rationalen Denkweise an Emotionen nicht fehlt, steht aufgrund ihres empathischen Umgangs mit Menschen ausser Zweifel. Aber bei Irene geht es noch einen Schritt bzw. eine Radumdrehung weiter. Sie fühlt sich selbst in die Psyche ihrer drei Velos ein, die sie liebevoll und farblich abgestimmt «Blue Ivy», «Meredith Gray» und «Miss Blueberry Muffin» nennt. Ihr erstes Gefährt bzw. treue Gefährtin war «Lotte» die bedauerlicherweise an einem Rahmenbruch gestorben ist, was damals mit einigen Tränen verbunden war. «Letzten Sommer habe ich bei den in Bern stationierten Velos Meredith und Miss Muffin öfter mal ersterem den Vorzug gegeben, weil Miss Muffin nur über drei Gänge verfügt. Da hatte ich schon mal ein schlechtes Gewissen gegenüber Miss Muffin», erinnert sich Irene mit einem selbstironischen Lächeln. «Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muss sich vorwärtsbewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.» Dieses Zitat von Albert Einstein fasst einen Kern von Irene gut zusammen: ständiges vorwärtsbewegen im Gleichgewicht zwischen Planung und Spontanität, im Leben und eben auch auf einem der drei Fahrräder.