Was verbindet Urs Meier mit einem Marvel-Held und zentroom?
«[…]es thematisiert das Streben nach einem Gleichgewicht zwischen intellektueller Vollkommenheit und praktischer Lebensführung.» Dieser Kurzbeschrieb zu einem von Urs Meiers Lieblingsbüchern, „Das Glasperlenspiel“ von Hermann Hesse, könnte ebenso auf dem Buchrücken von Urs‘ Biografie stehen. Ein möglicher Titel dazu: „Zu allem Grossen ist der erste Schritt der Mut“. Dieses für Urs prägende Zitat von Goethe ergänzt er mit den zeitgenössischen Worten: «Man lebt nicht vom Träumen – Mut haben und einfach machen!» Zu dieser zielstrebigen, praktischen Lebensführung gehört aber eben auch immer eine ausgleichende Kraft: Urs’ Geist bewegt sich nebst dem bodenständigen Unternehmertum auch gerne in intellektuell luftiger Höhe. Das äussert sich am Interesse an der interdisziplinären Metaebene von Physik, Mechanik, Informatik bis hin zur Metaphysik: «Ich würde mich gerne durch Zeit und Raum bewegen können, um herauszufinden, wie sich die Vergangenheit tatsächlich zugetragen hat, wohin uns die Zukunft führt und ob es noch weitere Universen gibt.» Ein Meister seines Handwerks in der „realen“ Welt, der sich gleichzeitig im Multiversum bewegt, ist Doctor Strange, ein Marvel-Held und Namensgeber eines Meetingraums im zentroom, welche alle nach Comic-Helden benannt sind. Doctor Strange ist der Superheld mit jenen Kräften, die laut Urs seinem Wesen am nächsten kommen. Aber beginnen wir zunächst mal auf dem Boden der hiesigen Realität.
Leistung und Erfolg
…zeichnen ein gelungenes Leben aus. Scheitern liegt nicht drin. Nach dieser Prägung und Maxime hat Urs mehrere Firmen mit bis zu 100 Mitarbeitenden gegründet und zum Prosperieren gebracht – mit patriarchalischem Führungsstil. Nach Definition ist dieser Führungsstil unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass er streng hierarchisch ausgeprägt ist, dass die Mitarbeiter an Entscheidungen nicht beteiligt werden und dass von ihnen unbedingte Loyalität und Disziplin erwartet werden. Was zum Geier also bringt eine Person mit einer solchen fast 40-jährigen Prägung in den selbstorganisierten Coworking Space zentroom? Eine Frage, mit der Urs auch von seinem Umfeld konfrontiert wurde.
Bucket List of No-Gos
Vor rund vier Jahren hat Urs seine Gesellschaft als Teil der Witzig-Holding an die Firma Witzig The Office Company verkauft und damit ein neues Lebenskapitel aufgeschlagen. Er hat eine „Bucket List“ für seinen weiteren beruflichen Werdegang erstellt und – nicht wie üblich neue Ziele gesetzt, sondern alles notiert, was er künftig nicht mehr will. Einer der wichtigsten Punkte auf dieser Liste: keine operationelle Führungsrolle mehr! «Man trägt als Unternehmer eine riesige Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden, die häufig unterschätzt wird. Dafür bekommt man wenig Dank oder echte Wertschätzung, sondern meistens nur Forderungen. Damit sollte Schluss sein.»
Vom BusinessPoint zum zentroom
Im selben Zeitraum suchte die Firma Witzig einen Käufer für den BusinessPoint im Bahnhof Bern, den Vorgänger des zentroom. Urs kam beiläufig in Kontakt mit den Teammitgliedern, die den BusinessPoint bis dahin mit Leidenschaft betrieben und nun um ihre Jobs bangten, sofern sie die nötigen Investitionen nicht einbrachten. «Anfangs hatte ich Mühe mit diesem ‘schöngeistigen’ Konzept. Der Gedanke hat mich aber nicht mehr losgelassen. Ich spürte die Begeisterung dieser Leute, die an etwas festhielten, obwohl sie mit ihren Leistungsausweisen problemlos einen anderen Job auf dem Markt gefunden hätten.» Das Konzept eines selbstorgansierten Unternehmens ohne straffe Hierarchie stand Urs’ bisherigen Führungsprinzipien diametral entgegen. Aber – es war genau das, was er als neugieriger Mensch gesucht hatte: eine neue Unternehmensform ohne operative Führungsverantwortung. Unter der Bedingung, dass das gesamte bisherige Team des BusinessPoint an Board bleibt, stieg Urs, zusammen mit seiner Frau, als Investor ein. zentroom war geboren.
Meine Rolle: keine tragende Rolle einnehmen.
Die eine Rolle, die Urs im zentroom zukommt, ist klar: jene des Investors. In der Rolle als Teammitglied übt sich Urs in Zurückhaltung und bringt sich nur dort ein, wo seine Rolle es verlangt oder Beratung erwünscht ist. «Das war für mich ein riesiger Lernprozess. Nun habe ich vollstes Vertrauen, dass alle Rollen selbstverantwortlich ausgefüllt werden. Das ist nicht nur unheimlich entlastend, sondern macht richtig Freude!»
Jeder zentroomie bringt seine individuelle Note ein, mit dem gemeinsamen Ziel, den Gästen ein Ambiente zu bieten, in dem sie sich aufgehoben fühlen und maximal entfalten können. In der Rolle als Gästebetreuer ergänzt Urs das Team mit einer geschätzten Prise Seniorität. Im Vergleich zu ihm bisher bekannten Firmenkulturen kommt Urs zum Schluss: «Die Kultur der gegenseitigen Wertschätzung wird hier, sowohl mit den Gästen als auch innerhalb des Teams, ganz anders gelebt.»
Ein Beispiel von zentroomie Tanja: «Urs ist für mich ein Geschenk. Für seine Erfahrungen, die Sicherheit und die Offenheit, die er ins Team mitgebracht hat, dafür bin ich sehr dankbar. Aber er kann manchmal auch ein Überraschungspaket sein und bringt mich immer wieder zum Staunen.»
Übrigens, die Persönlichkeiten der zentroomies drücken sich im Team jeweils auch in einer Farbe aus. Auf den zentroomie Thomas strahlt Urs die Farbe Violett aus. Im Multiversum des Internets findet man „das kreative Universum“, eine Website, die zur Farbe Violett in Kunst und Psychologie Folgendes meint: Violett steht für die Kombination der Stabilität von Blau und der Energie von Rot – zwei Farben, die auch an Wein erinnern, sofern die Stabilität zu vorgerückter Stunde in den Hintergrund rückt. Im Falle von Urs ist Wein jedoch ein stabiler Wert bzw. ein Interesse, das er seit jungen Jahren verfolgt, kombiniert mit der Leidenschaft für das Kochen und Essen. «Ich bin ein Genussmensch», sagt Urs mit einem Schalk, der immer mal wieder durchschimmert und der Seriosität des Unternehmers Authentizität verleiht. Auf der erwähnten Website ist weiter zu lesen: «Violett symbolisiert die Bedeutungen von Reichtum, Kreativität, Weisheit, Würde, Mysterium, Unabhängigkeit und Magie». Ein Schlusswort und gleichzeitig ein mögliches Vorwort in der Biografie von Doctor Strange – oder, im hiesigen Universum: von Urs.