New Work ≠ Ego Work

New Work ≠ Ego Work 1024 768 zentroomteam

Heike Bauer ist selbständige Beraterin und Mentorin und begleitet Unternehmen in die Arbeitswelt der Zukunft. Als Trainerin bietet sie Supervision für New Work, Menschen und Kultur an. In ihrem Gastbeitrag erläutert Heike, wie New Work zu einem Modebegriff geworden und doch noch nicht alles verloren ist.

«New Work» war als ein Synonym zur Frage gedacht, wie wir in Zukunft arbeiten wollen, um Zufriedenheit innerhalb einer gerechteren Wirtschaftsform zu erlangen und zur Auflösung des bisherigen Lohnsystems, das Macht unterstützt und fördert und somit eine Spaltung hervorbringt, die weder den Menschen noch der Umwelt guttut. Die Umsetzung von New Work sollte einem höheren Sinn und Zweck dienen, um eine positive gesellschaftliche Veränderung zu unterstützen.

Frithjof Bergmanns New Work im Ursprung: «Die Armut der Begierde hält uns davon ab, einer Arbeit nachzugehen, die wir wirklich, wirklich wollen.»

Er meinte damit, dass wir lieber aus falschen Leitmotiven einer fremdbestimmten Arbeit nachgehen, die uns nicht glücklich, sondern sogar oft krank macht, als den Mut aufzubringen, etwas daran zu ändern.

Das ist heute daraus geworden:

  • «Suche grosse Wohnung in der Stadt, um Gestaltungsspielraum fürs Homeoffice zu haben. Hashtag: New Work»
  • «Dienstleistungsangebot: New Work Benimm-Kurs»
  • «New Work Gruppen für karriereorientierte Führungspersonen»
  • Unternehmen verschwenden die Zeit von Bewerber:innen, weil das von ihnen ausgeschriebene Profil wohl dem neuen Wunschdenken entspricht, die Ziele der Unternehmensführung damit aber nicht vereinbar sind.

Die oben aufgeführten und meiner Meinung nach vollkommen absurden Beispiele sind mir in den letzten Wochen untergekommen.
Mein Fazit: Der Sinn und Zweck des nachhaltigen Arbeitens verabschiedet sich gerade in die New Work-Buzzwordblase und scheinbar nur wenige versuchen hier noch für Klärung zu sorgen.

Die Bewegung verschwindet teils resigniert in der eigenen Bubble oder passt sich dem Mainstream und allen – zum Teil paradoxen – Abwandlungen an. Das erinnert leider auch an das Sprichwort: «Beiss’ nicht die Hand, die dich füttert.»

Wir brauchen endlich mehr Mut.

Wir müssen die «Dinge» beim Namen nennen, auch innerhalb der Unternehmen und entgegen dem Eigennutzen. Es geht nicht um eine Zuweisung zu «richtig» oder «falsch», aber es gilt jetzt, einem Abtrieb in eine verwässerte Konformität entgegenzutreten, die den dringend notwenigen Kulturwandel ausbremst. Frithjof Bergmann nannte es vor einigen Jahren «New Work im Minirock» und hätte wohl auch jetzt bessere Worte für diese Paradoxie. Ich nenne es «New Work Washing» – man mag mir meine fehlende Kreativität entschuldigen.

Ärgern Sie sich nicht darüber, wenn Ihre Idee nun durch den Kapitalismus verwässert wird?

Bergmann: Ich ärgere mich nicht nur ein bisschen, sondern ich ärgere mich sehr, sehr tüchtig. Dafür habe ich schon fast ein geflügeltes Wort geprägt: Lohnarbeit im Minirock. Für viele ist New Work etwas, was die Arbeit ein bisschen reizvoller macht. Und das ist absolut nicht genug. Aber andererseits gibt es heute viele Leute, die sich mit der Neuen Arbeit befassen und ich bin auch ein nicht unbescheidener Mensch. Es ist mir sympathisch, dass die Neue Arbeit jetzt bekannt geworden ist – auch wenn sie sehr weit weg ist von dem, was ich mir dabei gedacht habe. (Haufe/Personalmagazin 2018)

Ich kann nicht umhin, dass es mich wütend macht, in so vielen Beispielen mitzubekommen, dass die Warnungen nicht ernst genommen wurden. Durch den immens steigenden Fachkräftemangel werden Mitarbeitende oft mit Versprechungen geködert, die nicht ansatzweise eingehalten werden können. Trotz neuer Namensgebung in Ausschreibungen, interner Bespassung und dem Einschleusen agiler Methoden, wird keine neue Unternehmenskultur geschweige denn ein neues Mindset jedes Mitarbeitenden automatisch erreicht.

Ein Konzept von New Work – auch in der angepassten Form – muss doch zumindest die Grundpfeiler enthalten; eine wirklich neue Haltung zur selbsterfüllenden und sinnstiftenden Zusammenarbeit unter Nutzung aller modernen, digitalen und technischen Entwicklungen. Das verlangt nach der Auseinandersetzung mit den bisherigen Strukturen, mit sich selbst und dementsprechend braucht es Geduld und Zeit. Was gerade passiert, ist lediglich die Nutzung von New Work als Marketing-Claim und Prozess-Optimierung – zusammenhangslos durch Hashtags und Keywords verlinkt. Erwarten wir noch «New Work Food» und die «New Work Boutique», die uns auch im Homeoffice ansprechend aussehen lässt, mit der neuen Kollektion «Onepiece Homeoffice».

Durch falsche Absichten geleitet

Nein, lustig ist es eigentlich gar nicht, denn es geht genau in die entgegengesetzte Richtung. Die weiteren Versuche, das System, das mit einem gesellschaftlichen Auftrag und zur Unterstützung von echter disruptiver Neuerung Zeichen setzen will, verkommen zur Selbstinitiierung von Befürwortern und Gegnern. Hierbei möchte ich weder den Marketingverantwortlichen noch den Personalentwicklern einen Vorwurf machen, denn eines hat sich nicht geändert: «der Fisch stinkt nach wie vor vom Kopf.»

New Work bedeutet nicht einfach nur Home Office, sondern einer Arbeit (und Arbeitsweise) nachzugehen, die erfüllend ist.

Die Adressierung geht hierzu auch an etliche Weiterbildungsinstitute, bei denen oft die theoretischen Ansätze von hybridem Arbeiten, New Work Vertrauens-Mindset und dem Lernen in Communities und Diversität vermittelt werden, ohne dass deren eigene Strukturen auch nur ansatzweise eines dieser Merkmale aufweisen.

Mit der Ausrichtung, die positiven Veränderungen in falscher Absicht einzusetzen und so zu entwerten, werden Entscheider:innen in diesem Wandel scheitern. Eine echte Chance in einem ungleichen Rennen mit globalen Märkten werden wir nur durch Kooperationen und Kollaborationen bekommen.

Es geht aber auch anders. Einige tragen diese Gedanken, die Bergmann uns hinterlassen hat, unter Berücksichtigung aller notwendigen organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Kriterien, in die Unternehmen und deren Entwicklung.

Was muss sich ändern

Wenn wir wirklichen kulturellen Wandel erreichen wollen, der weit über den Blick auf die Lohnarbeit hinaus geht, müssen wir in erster Linie beginnen uns darüber klar zu werden, was wir vom Leben wollen und wer uns dabei unterstützen soll. Der Grundgedanke von Fairness und Sinnstiftung für alle kann nur in beide Richtungen funktionieren.

Es liegt nicht in meiner Absicht, nur negative Beispiele aufzuzeigen. Es gibt durchaus Impulse, die nachhaltig angekommen sind, verstanden und umgesetzt werden. Und es gibt inspirierende Menschen, die als Vorreiter teilweise auch erst den harten Weg gehen mussten, um uns jetzt darüber zu berichten, wie sie ihr Unternehmen inklusive Mitarbeitende in einen erfolgreichen Kultur- und Organisationswandel begleiten durften. Oder auch Initiativen, die unterwegs sind und auch aus der praktischen Umsetzung erzählen, mit Vorträgen, die an die eigenen Erfahrungen gekoppelt sind und New Work Enthusiast:innen – zu denen ich mich auch zählen darf – die trotz vieler Widrigkeiten auf dem Weg bleiben und daran festhalten, dass uns am Ende nicht das gefüllte Bankkonto oder der Fuhrpark glücklich macht, sondern ein erfülltes und sinnvolles Leben. Darum gilt es die Trennung zwischen Arbeitsleben und Freizeit aufzulösen. Aber wo ist diese Grenze? Wie unpassend diese Trennung ist, wird beispielsweise bei der Bezeichnung der «ehrenamtlichen Arbeit» offensichtlich. Denn würde man hier eine Trennung vollziehen, wäre es keine freie Zeit (Frei-zeit) und würde somit die eigentliche Erfüllung durch den gemeinnützigen und unentgeltlichen Einsatz als Grundmotivation verdrängen oder das Engagement nicht als Arbeit anerkennen.

Der Purpose der Community – ohne hier zu tief in den Marxismus abzutauchen zu wollen – ist ein klarer Bestandteil der neuen Denkweise, die in New Work verankert ist. Obgleich der Ansatz der sozialistischen Umgestaltung einer bestehenden Klassengesellschaft an die Auflösung von Hierarchien in Unternehmen erinnert, gibt es einige Grundsätze, die ich befürworte. Denn die Gewährleistung der psychologischen Sicherheit, die wir zur angstfreien Meinungsäusserung brauchen und durch die wir uns erst dann wirklich auf Augenhöhe befinden können, wird sich in Unternehmen, die Karriere als Aufstieg deklarieren eher schwierig gestalten.

«Karriere heisst nicht mehr aufzusteigen, sondern an Wert für das Unternehmen zu gewinnen.»
Vom Werdegang aus dem französischen «carrière», zum Wertegang.

Ich komme nun auf die fragwürdigen Aussagen zu Beginn zurück. Was alle aufgezählten Beispiele gemeinsam haben; es geht nur um die eigenen Vorteile und nicht um Sinnhaftigkeit, was wie wir wissen, der tiefere Gedanke hinter New Work ist. So ist zum Beispiel sich im Homeoffice einzurichten, um sich dem Unternehmensgeschehen zu entziehen, widersprüchlich. Oder Kniggekurse inhaltlos über Trendvokabeln abzufüllen, kommt der Unterstellung gleich, dass die komplette Gesellschaft in zwei Jahren alle Anstandsregeln über Bord geworfen hat und in Jogginghosen sabbernd vor dem Monitor darauf wartet, dass ihr wieder Manieren beigebracht werden.

«New Work ist die Antwort auf ein neues Zeitalter, bei dem Innovation durch Wissenstransfer in Netzwerken und Communities entsteht.» (Heike Bauer)

Während Bergmann über «die Arbeit, die du wirklich, wirklich willst» philosophierte (denn er hatte zu Hegel promoviert), so war es auch sein Anliegen, diese mit der Gemeinschaft – also in New Work Zentren und in den Unternehmen – zu erarbeiten. Und so braucht es keine besonderen Fähigkeiten, um bei einem Coworking Space einen ähnlichen Auftrag zu erkennen: Im Falle der zu kleinen Stadtwohnung könnte man sich stunden- oder tageweise im nächstgelegenen Space einmieten und wird dort, falls abhandengekommen, bestimmt wieder zu den guten Umgangsformen zurückfinden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Von der Karriere-Community und jedem von uns erhoffe ich mir mehr Mut.

Den Mut, ehrlich zu kommunizieren und Schwächen einzugestehen. Und zu zeigen, dass man nicht alles perfekt macht. Auch unabhängig davon, ob es nun mit New Work zu tun hat oder nicht.

Happy New Work!

Heike Bauer

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